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Ästhetik und Rationalität

Ästhetik und Rationalität

Artikelnummer: 2020-1

Die Zahl Phi kennzeichnet das Teilungsverhältnis von Strecken im Goldenen Schnitt. Sie und einige ihrer Eigenschaften wurden bereits mehrere Jahrhunderte v. Chr. entdeckt und danach immer genauer untersucht. Dabei wurden vielfältige Verbindungen in unterschiedliche Bereiche der Mathematik und der Naturwissenschaften erkannt. In der Renaissance wurden zudem verstärkt auch philosophische und theologische Zusammenhänge hergestellt. Im
19. Jahrhundert erfuhr die Zahl Phi nochmals eine besondere Aufmerksamkeit bei dem Versuch, sie zum grundlegenden Prinzip einer ästhetischen Theorie der Proportionen zu erheben. Heute gibt es eine kaum übersehbare Anzahl von Beiträgen mit Beispielen, die jene Proportionen in Pflanzen, Kunst, Architektur, Design und sogar in der Vermessung der Schönheit von Menschen nachweisen wollen. Beginnend in den 1980er Jahren finden sich vermehrt Veröffentlichungen, in denen das vermeintliche Prinzip mit formalen Methoden hinterfragt und mit Gegenbeispielen widerlegt wird. Daneben gab und gibt es eine umfangreiche, teilweise etwas esoterisch anmutende Literatur, in der die Interpretationen sehr weitreichend sind. In der jüngsten Vergangenheit hat sich das Interesse wieder erhöht aufgrund von Themen in der Quantenphysik, der Astronomie und der Mathematik. Unabhängig davon ist aber festzuhalten, dass es mit der Zahl Phi und dem Konstrukt des Goldenen Schnitts bisher nicht gelungen ist, die Gesetzmäßigkeiten der Logik auf Bereiche der Ästhetik in überzeugender Weise zu übertragen. 

Im vorliegenden Text wird ein Argument genutzt, das zwar keine kausale Beziehung von Logik und Ästhetik herstellt, jedoch wechselseitige Einflüsse explizit zulässt. Ausgangspunkt ist die These, dass Emotion und Vernunft keine Gegensätze sind, sondern ein Kontinuum bilden. Emotion und Vernunft sind zwei Pole auf diesem Kontinuum, die sich durch das Ausmaß einer bereits erfolgten Verarbeitung von Wahrnehmungen unterscheiden und somit keine grundsätzlich unterschiedlichen Kategorien sind. Durch wiederholte Bestätigung von emotionalen Wahrnehmungen werden diese erhärtet und rationalisiert. Der Prozess der Rationalisierung kann durch Referenzen unterstützt oder beschleunigt werden. Die Zahl Phi und in der Folge das Dogma des Goldenen Schnitts könnten eine solche Referenz sein aufgrund ihrer spezifischen Merkmale.

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